Folge 90: „Was tun gegen Rechtsaußen, MBT?“

Shownotes

Der Rechtsruck ist in unserer Gesellschaft immer deutlicher spürbar. Ob Rassismus, Antisemitismus oder Transfeindlichkeit: Immer häufiger werden diese Ideologien verbreitet, gewaltvolle Übergriffe verübt und die Grenzen des Sagbaren nach rechts verschoben, hin zu immer mehr Abwertungen von vermeintlich „Anderen“. Die zunehmende Stärke von Rechtspopulistinnen und Rechtsextremistinnen weltweit und die schnelle Verbreitung der Inhalte durch Social Media befeuern diesen Trend auch in Deutschland.

Das Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus Hamburg (MBT) ist erste Anlaufstelle für Personen und Institutionen, die mit rechtsextremem Gedankengut in Hamburg konfrontiert sind. Die Zahlen der benötigten Beratungen steigen dabei immer weiter an. Im letzten Jahresbericht gab das MBT an, fast 30 Prozent mehr Anfragen für Beratungen in 2024 bekommen zu haben, als noch im Vorjahr. Um welche konkreten Themen und Vorfälle es dabei ging, welche Gegenstrategien er und seine Kolleg*innen empfehlen und warum er dennoch daran glaubt, dass die liberale Gesellschaft letztlich die Oberhand behalten wird, berichtet uns Jay vom Beratungsteam in der aktuellen Folge von „Friedrichs Flaschenpost“.

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00:00:01: Friedrichs Flaschenpost, der Politik-Podcast aus Norddeutschland von der Friedrich-Ebert-Stiftung.

00:00:07: Hallo und herzlich willkommen zu Friedrichs Flaschenpost, dem Politik-Podcast

00:00:11: aus Norddeutschland von der Friedrich-Ebert-Stiftung.

00:00:14: Danke für dein Ohr und herzlich willkommen zurück nach unserer Sommerpause,

00:00:18: sagt heute am Mikrofon Christine Strotmann.

00:00:21: Heute spreche ich mit Jay. Er arbeitet

00:00:23: beim mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Hamburg. Das mobile.

00:00:30: Zu rechtsextremen, rassistischen und antisemitischen Vorfällen kommt.

00:00:33: Und es befasst sich in dem Rahmen natürlich auch mit Verschwörungsideologien.

00:00:37: Es berät und leistet aber auch einen wichtigen Beitrag zur Bildungsarbeit und

00:00:41: Information rings um Rechtsextremismus in Hamburg.

00:00:45: Dem letzten Jahresbericht konnte ich entnehmen, dass das MBT,

00:00:48: so die Kurzform für das Beratungsteam, 30 Prozent mehr Fälle behandelt hat als im Vorjahr.

00:00:54: Entsprechend kann man, glaube ich, sagen, das Team ist ganz gut ausgelastet

00:00:57: Und ich freue mich sehr, lieber Jay, dass du dir trotzdem heute die Zeit genommen

00:01:01: hast, von eurer Arbeit zu berichten.

00:01:03: Herzlich willkommen bei Friedrichs Flaschenpost. Vielen Dank, dass ich hier sein darf.

00:01:07: Jay, wir möchten heute ja ganz konkret über eure Arbeit sprechen und auch darüber,

00:01:12: wie ihr die Auswirkungen des aktuellen Rechtsrucks in Hamburg und vielleicht

00:01:16: ja auch in Deutschland spürt und wie sich das auf eure Arbeit auswirkt.

00:01:21: Und natürlich bin ich auch sehr

00:01:22: gespannt zu hören, was ihr vielleicht für Gegenstrategien im Gepäck habt.

00:01:26: Ich freue mich also auf ein sehr interessantes Gespräch mit dir zu Hamburg und

00:01:30: zu dem Kampf gegen Rechts und dass wir heute so einen spannenden Gast da haben.

00:01:34: Nochmal herzlich willkommen. Dankeschön. Und wir legen gleich los.

00:01:38: MBT, das klingt ja immer gleich ein bisschen förmlich, bürokratisch,

00:01:42: weil man es abkürzen muss, weil es so lang ist.

00:01:44: Vielleicht erzählst du uns nochmal ein bisschen, wer ihr seid.

00:01:47: Wie kam es dazu, dass ihr gegründet wurdet?

00:01:50: Ja, wir sind eine Fachberatungsstelle gegen Rechtsextremismus,

00:01:54: die auf der einen Seite aus Bundesmitteln, aus dem Bundesprogramm Demokratie

00:01:58: Leben finanziert wird und dann zu 20 Prozent von der Sozialbehörde Hamburg.

00:02:03: Es gibt mobile Beratungsteams in ganz Deutschland, also in größeren Flächenländern

00:02:08: gibt es dann auch mehrere Regionalteams.

00:02:10: In Hamburg haben wir ein MBT und unsere Aufgabe ist es, Einzelpersonen und Institutionen

00:02:17: im Umgang mit rechten Haltung und Handlung zu unterstützen.

00:02:19: Also es gibt ja viele Personen, die in ihrem privaten Umfeld oder aber Institutionen,

00:02:26: die in ihrer Arbeit mit rechten Ideologien,

00:02:29: rechten Haltungen, rechten Handlungen in irgendeiner Form konfrontiert sind

00:02:32: und einen Umgang damit finden möchten, wenn sich Vorfälle ereignet haben,

00:02:35: wenn sie sich präventiv aufstellen möchten.

00:02:37: Und da unterstützen wir dann mit beraterischer Expertise.

00:02:41: Und genau, also Beratung, das steht ja auch im Namen unseres Projektes,

00:02:45: ist das Kernstück unserer Arbeit.

00:02:47: Wir beraten kostenlos, vertraulich und niedrigschwellig an den Bedarfen der

00:02:51: Ratsuchenden orientiert und mit einem systemischen Ansatz.

00:02:54: Das heißt, wir begreifen die Ratsuchenden als Experten

00:02:58: für ihre jeweiligen Themen und Anliegen und versuchen dann mit systemischen

00:03:03: Fragestellungen und aber auch mit Fachexpertise im Bereich Rechtsextremismus

00:03:07: zu unterstützen und sozusagen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben und Ratsuchende

00:03:12: dann handlungsfähig in ihren entsprechenden Anliegen zu machen.

00:03:14: Genau, die Beratung kann in unseren Räumlichkeiten stattfinden.

00:03:18: Wir haben einen Beratungsraum, wo Ratsuchende hinkommen können, aber auch oft online.

00:03:23: Das ist manchmal dann auch niedrigschwelliger für Personen sozusagen mit uns in Kontakt zu kommen.

00:03:28: Da machen wir das über sozusagen einen Videocall dann. Das geht alles.

00:03:32: Es gibt aber noch weitere Säulen unserer Arbeit. Also Beratung ist ein Feld

00:03:36: und auch das, was so im Zentrum steht.

00:03:38: Wir machen aber auch Bildungsarbeit, sprich Seminare, Workshops, Weiterbildung.

00:03:42: Die bei uns angefragt werden können, auch die sind kostenlos.

00:03:45: Genau, da gucken wir auch immer, was diejenigen, die bei uns anfragen,

00:03:49: eigentlich wollen und brauchen.

00:03:50: Wir machen das ungern so von der Stange, sage ich mal, sondern konzipieren dann

00:03:54: Workshops an den Bedarfen der Anfragenden eigentlich entlang.

00:03:58: Dann ist Öffentlichkeitsarbeit noch ein Teil unserer Arbeit.

00:04:01: Wir veröffentlichen regelmäßig Broschüren oder auch den Jahresrückblick zum

00:04:06: Beispiel, auf den du dich ja bezogen hast in der Einleitung.

00:04:08: Und genau, es gibt uns auf Insta und ja, da lassen wir auch immer mal wieder

00:04:14: was von uns hören oder da kann man auch sich Materialien, Bildungsmaterialien

00:04:18: von uns sozusagen zu verschiedenen Themen auch einfach besorgen.

00:04:21: Also Recherche, Monitoring ist ein Teil unserer Arbeit, also Monitoring-Arbeit

00:04:25: zu machen über rechte Aktivitäten, extrem rechte Aktivitäten in Hamburg.

00:04:31: Aber ganz wichtig ist uns dabei auch zivilgesellschaftliches Gegenengagement,

00:04:34: also zu zeigen, was engagierte Personen auch gegen Ideologien der Ungleichwertigkeit

00:04:40: wie Rassismus oder Antisemitismus machen.

00:04:43: Wow, das ist ja ein ganz schön breites Portfolio. Da hoffe ich und stelle mir

00:04:48: vor, dass das ein ganz, ganz großes Team ist, oder wie? Seid ihr aufgestellt?

00:04:52: Ja, also gemessen an dem, was wir machen, sind wir gar nicht mal so viele Leute.

00:04:55: Wir sind sieben Personen im Team.

00:04:58: Und wer finanziert das Ganze? Wie tragt ihr euch? Wie seid ihr konstituiert?

00:05:02: Also das wird staatlich getragen und zwar zu 80 Prozent vom Bundesprogramm Demokratie

00:05:08: leben, das zum Bundesfamilienministerium, also BMB FSFJ gehört und zu 20 Prozent

00:05:15: von der Hamburger Sozialbehörde.

00:05:17: Wir sind aber in unabhängiger, freier Trägerschaft angebunden,

00:05:20: das ist nochmal ganz wichtig, angedockt und zwar bei Arbeit und Leben Hamburg e.V.

00:05:25: Das ist der Träger, wo das MBT ist. Okay, vielen Dank.

00:05:29: Euch gibt es ja auch schon eine Weile, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe.

00:05:34: Gab es da auch mal Veränderungen in eurem Profil oder ist der Gründungszweck

00:05:38: der, den ihr auch noch vordergründig verfolgt?

00:05:41: Ja, im Endeffekt ist es schon so, dass wir eigentlich seit der Gründung dieselbe

00:05:44: Arbeit machen oder dieselben Ziele verfolgen, also von der Gründung bis jetzt im Kern.

00:05:50: Gleichzeitig wird die Arbeit im Berufsfeld natürlich stetig weiterentwickelt,

00:05:54: auch im Bundesverband der mobilen Beratung, wo wir dann Kolleginnen aus anderen

00:05:57: Bundesländern treffen,

00:05:58: wo es Dachverbandsstellen dann sozusagen gibt, die im Sinne von Qualitätsentwicklung

00:06:04: und Berufsfeldentwicklung halt auch immer wieder Standards überprüfen und weiterentwickeln.

00:06:08: Und insofern hat sich die Arbeit natürlich auch verändert, auch mit gesellschaftlichen

00:06:13: Entwicklungen, die immer wieder natürlich neu und fortlaufend stattfinden.

00:06:17: Aber im Kern machen wir mobile Beratungsarbeit gegen Rechtsextremismus. Same, same.

00:06:22: Bevor wir gleich nochmal, ich glaube, einen Deep Dive machen.

00:06:25: Ich finde es manchmal so schwierig, das auch ein bisschen griffig zu machen.

00:06:29: Also ich weiß, was ihr grundsätzlich tut.

00:06:32: Aber vielleicht magst du uns schon mal so ein...

00:06:35: Ein anonymes, kleines Beratungsszenario nennen. Also einfach ganz konkret,

00:06:40: zum Beispiel, wen hast du zuletzt beraten und warum?

00:06:42: Oh, das weiß ich gar nicht, wen ich zuletzt. Das sind wirklich viele Fälle, die wir haben.

00:06:47: Aber es gibt auf jeden Fall Muster, die sich da drin natürlich auch wiederholen.

00:06:50: Also Beispiel, rechte Schmierereien im nachbarschaftlichen Umfeld sind ein Thema.

00:06:54: Oder es werden im Gruppenchat von der Arbeit gibt es Personen,

00:07:00: die rassistische und oder antisemitische oder NS-verherrlichende Inhalte teilen oder so.

00:07:05: Und Ratsuchende kommen dann mit der Frage, wie soll ich denn damit umgehen,

00:07:08: was mache ich denn jetzt eigentlich?

00:07:10: Oder Organisationen, die sagen, ja, wir machen regelmäßig Veranstaltungen und

00:07:15: thematisch gibt es jetzt ein, zwei Veranstaltungen, bei denen wir rechte Störungen erwarten.

00:07:19: Was machen wir denn jetzt? Wie stellen wir uns darauf ein? Wie können wir damit

00:07:22: umgehen? Wie können wir uns darauf vorbereiten? Wie könnt ihr uns darin auch unterstützen?

00:07:25: Also das sind so Klassiker-Beratungsanfragen, würde ich sagen.

00:07:29: Und das zugleich ja auch vielleicht ein bisschen der Aufruf,

00:07:32: dass Menschen zu euch kommen, wenn genau so etwas in ihrem Umfeld passiert?

00:07:35: Genau, genau. Da ist auch ganz wichtig zu sagen.

00:07:38: Also im Namen unseres Projektes steht ja der Begriff Rechtsextremismus,

00:07:42: aber es müssen nicht jedes Mal exponierte Neonazis irgendwo aktiv werden,

00:07:48: damit Personen sich bei uns melden können.

00:07:50: Also wir haben da eigentlich einen ganzheitlichen Blick drauf.

00:07:52: Also wir fassen unter dem Begriff Rechtsextremismus verschiedene Ideologien

00:07:56: der Ungleichwertigkeit zusammen.

00:07:58: Dazu zählt Rassismus, dazu zählt Antifeminismus, dazu zählt Antisemitismus.

00:08:02: Und diese Ideologien sind überall in der Gesellschaft vorzufinden,

00:08:06: nicht nur in der extremen Rechten.

00:08:08: Und wann immer Personen mit diesen Ideologien in ihrem Alltag,

00:08:13: in ihrer Arbeitswelt oder sonst wie konfrontiert sind, dann können sie sich

00:08:17: gerne mit ihren Anliegen an uns wenden.

00:08:20: Ich hatte ja vorhin auch erwähnt, macht eben diesen Jahresbericht,

00:08:24: der ist ja nicht nur aufschlussreich, wenn man sich für euch als Institution interessiert.

00:08:27: Das ist ja wirklich auch ein Stück weit einfach Information,

00:08:30: ich würde sagen, relativ knackiger Überblick, so wie steht es um die Rechten,

00:08:34: um den Rechtsextremismus in Hamburg.

00:08:37: Bildungsarbeit ist also bei euch ja auch relativ weit vorne.

00:08:40: Hat sich das verändert im Laufe der Zeit?

00:08:42: Das Verhältnis von Monitoring zu Bildungsarbeit oder Bildungsarbeit im Allgemeinen?

00:08:47: Ja, oder so wie es daraus ableitet.

00:08:49: Also habt ihr den Eindruck, dass ihr vielleicht auch mehr Bildungsarbeit leisten

00:08:52: müsst, weil die Strukturen komplizierter werden?

00:08:55: Oder ist es schon so, dass das immer Teil eurer Arbeit ist? Es ist immer Teil unserer Arbeit.

00:09:00: Und fließt in die verschiedenen Bereiche unserer Arbeit auch mit rein.

00:09:03: Es ist aber so, dass in allen Bereichen deutlich mehr auf uns zugekommen ist im letzten Jahr.

00:09:09: Und dieses Jahr deutet es sich an, dass es einfach sich auf einem ähnlichen Niveau wieder bewegt.

00:09:13: Also die Anzahl der Anfragen für Bildungsveranstaltungen, Bildungsveranstaltungen,

00:09:18: die wir durchführen, aber eben halt auch Beratungsarbeit und so,

00:09:21: das hat alles ganz schön zugenommen.

00:09:24: Und es war nicht so, dass wir vorher wenig ausgelastet waren.

00:09:27: Also es war schon vorher auch viel.

00:09:28: Und 2024 ist aber in der Geschichte des Hamburger MBTs das Jahr mit den meisten

00:09:34: Beratungsanfragen und auch Anfragen für Bildungsveranstaltungen.

00:09:37: Und ja, wie gesagt, das scheint sich in 2025 auch fortzusetzen.

00:09:42: Beim Monitoring seid ihr auch relativ vorne mit dabei. Arbeitet ihr da noch mit weiteren Partnern?

00:09:47: Ja, auf jeden Fall. Also wir sind natürlich im Austausch mit anderen mobilen

00:09:52: Beratungsteams, auch einfach um zu hören, was in anderen Bundesländern los ist.

00:09:55: Dafür gibt es auch extra vorgesehene Treffen.

00:09:58: Wir selbst aber betreiben Recherche- und Monitoringarbeit auch aus uns sozusagen heraus.

00:10:03: Und wir sind natürlich auch in Kontakt mit verschiedenen Akteuren der Zivilgesellschaft,

00:10:07: denen wir uns dann gegenseitig auf dem Laufenden halten, was relevant ist im

00:10:11: Feld. Vielen Dank, dann haben wir ja echt schon mal so einen kleinen Überblick

00:10:15: bekommen über eure drei Felder, die ihr beackert.

00:10:18: Das ist ja ganz schön viel. Wir machen es bei Friedrichs Flaschenpost ja immer

00:10:22: so, dass wir auch gerne den Gast ein bisschen näher kennenlernen würden.

00:10:25: Deswegen, ich habe es dir schon angedroht, spielen wir jetzt einmal Friedrich fragt.

00:10:29: Du kennst das Prinzip, es sind entweder oder Fragen.

00:10:32: Du kannst also auch nicht mit beides antworten, sondern entweder oder.

00:10:37: Einmal eine schnelle Runde. Ja.

00:10:39: Der norddeutsche Klassiker, Ostsee oder Nordsee? Inzwischen Ostsee.

00:10:43: Bist du Früh- oder Spätaufsteher? Frühaufsteher.

00:10:47: Wenn du etwas liest, bist du jemand, der PDFs liest oder druckst du alles aus? Ich lese PDFs.

00:10:53: Bist du Hobbykoch oder eher so Gastrokritiker?

00:10:57: Irgendwo dazwischen.

00:11:00: Wenn du dich entscheiden müsstest. Dann eher Hobbykoch.

00:11:04: Magst du lieber den Frühling oder den Herbst? Frühling.

00:11:08: Wenn du nicht bei der MBT gelandet wärst, wärest du lieber Sänger oder Förster geworden?

00:11:16: Sänger. Okay. Und in deiner Freizeit schaust du lieber Spielfilme oder politische Talkshows?

00:11:23: Beides nicht so gerne, aber ich spiele Filme dann eher wahrscheinlich, ja.

00:11:27: Okay, vielen Dank. Das haben wir geschafft. Ich habe auf alles eine eindeutige Antwort bekommen. Gut.

00:11:32: Danke dir. Dann vielleicht erzählst du auch nochmal kurz, wie du eigentlich

00:11:36: zum mobilen Beratungsteam gekommen bist.

00:11:39: Was war dein Weg dahin? Wie wird man mobiler Berater?

00:11:42: Das war recht klassisch. Also ich bin auf die Stellenausschreibung aufmerksam geworden.

00:11:47: Das war 2018, habe mich beworben und wurde coolerweise eingestellt.

00:11:51: Und ja, genau, also so kann man sagen.

00:11:53: Ich komme aus der Politikwissenschaft, also zumindest was mein Studium angeht,

00:11:57: hatte natürlich die ein oder andere Berufserfahrung auch schon vorher,

00:12:00: bevor ich im MBT angefangen bin.

00:12:03: Und ich fand die Stellenausschreibung damals wirklich toll. Ich konnte mich damit total connecten.

00:12:08: Also nicht nur, weil die Arbeit im Feld wichtig ist, aber die Perspektive,

00:12:13: mit der das Hamburger MBT sozusagen diese Arbeit macht und auf das Feld guckt,

00:12:18: die wurde ganz krass transportiert in der Stellenausschreibung.

00:12:21: Und damit konnte ich mich gut in Verbindung bringen.

00:12:24: Als Politikwissenschaftler, da gibt es ja sehr, sehr viele verschiedene Felder,

00:12:28: man könnte fast sagen alle, mit denen man sich beschäftigen kann.

00:12:33: Gab es für dich Schlüsselmomente, warum du gesagt hast, Kampf gegen Rechtsextremismus,

00:12:38: Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, das ist mir besonders wichtig?

00:12:42: Oder war es einfach dann tatsächlich, dass du erst über diese Ausschreibung darauf gekommen bist?

00:12:48: Nee, ich war schon vorher irgendwie politisiert oder so. Das kann man, denke ich, schon sagen.

00:12:53: Ich finde es immer schwierig zu sagen, es gibt dieses eine Schlüsselmoment oder

00:12:56: so, weil das ja auch ein Prozess ist, wo man irgendwie so verschiedene Stationen

00:13:00: auch irgendwie drin hat und die können einander ja auch widersprechen.

00:13:04: Man entwickelt sich weiter, man hat mal den, mal den Schwerpunkt und so.

00:13:07: Genau, aber ich glaube, so unterm Strich kann ich sagen, ich war auf jeden Fall

00:13:10: in irgendeiner Form auch so politisiert, ja.

00:13:13: Du hast vorhin eure Arbeitsfelder schon sehr ausführlich beschrieben.

00:13:17: Wie kann ich mir denn vorstellen, wie arbeitet ihr als Team zusammen?

00:13:21: Ja, das ist eine interessante Frage. Also es gibt viele Standards in unserer

00:13:24: Arbeit, die die Zusammenarbeit auch regeln.

00:13:26: Zum Beispiel, dass wir Beratungen grundsätzlich zu zweit machen und Bildungsveranstaltungen auch.

00:13:30: Es gibt ganz viele, das heißt ganz viele, aber einige Austauschformate,

00:13:34: die wir im Team natürlich brauchen.

00:13:35: Also von Fallbesprechungen, wo wir sozusagen inhaltlich über Fälle sprechen

00:13:40: und Zuständigkeiten auch vergeben, wer bearbeitet eigentlich was und uns darin

00:13:44: kollegial unterstützen.

00:13:46: Bis hin zu Teamsitzungen, die die meisten Leute aus ihren Arbeitszusammenhängen

00:13:50: wahrscheinlich auch in irgendeiner Form kennen.

00:13:51: Also was steht gerade an, was beschäftigt uns gerade, was sind etwaige Fristen,

00:13:56: wie teilen wir uns in Zuständigkeiten und anderen Arbeitsbereichen irgendwie auf.

00:14:00: Wir haben Supervisionen, das ist ganz wichtig, wenn man in so einem Arbeitsfeld,

00:14:04: wo Gewalt eine Rolle spielt, arbeitet, dass wir da auch auf uns und unsere Gesundheit einfach achten.

00:14:10: Dazu gibt es verschiedene Supervisionsformate, die wir dankenswerterweise nutzen können.

00:14:16: Genau. Und ansonsten, wir begegnen uns in so einem Büroalltag,

00:14:21: kann man eigentlich sagen.

00:14:23: Und das ist, glaube ich, so wie ich jetzt so auf ganz kurz unsere Zusammenarbeit

00:14:27: im Team beschreiben würde.

00:14:30: Für dich persönlich, jetzt wo du dabei bist, was ziehst du aus deiner Arbeit?

00:14:36: Ja, natürlich sehr, sehr viel. Man fühlt sich natürlich sehr nochmal näher dran

00:14:41: irgendwie am aktuellen Geschehen, an gesellschaftlichen Entwicklungen als in

00:14:46: anderen Jobs möglicherweise so.

00:14:48: Also ich habe dann schon noch das Gefühl, dass ich da nochmal eine andere Perspektive

00:14:51: drauf habe, wenn ich dann irgendwie, keine Ahnung, Nachrichten lese oder so.

00:14:56: Also das nehme ich auf jeden Fall viel mit. Ich begegne natürlich vielen tollen,

00:15:00: engagierten Menschen. Das ist auch inspirierend.

00:15:03: Leute, die ehrenamtlich, das ist ja bei uns nicht der Fall, wir sind ja finanziert,

00:15:07: wir machen das hauptamtlich und haben auch viel zu tun mit Menschen,

00:15:09: die einfach ehrenamtlich nach der Arbeit, irgendwie nach der Lohnarbeit.

00:15:14: Sich gegen Ideologien der Ungleichwertigkeit, sich gegen Rechts engagieren.

00:15:17: Das ist natürlich auch eine Sache, die ich mitnehme und ich lerne tagtäglich

00:15:21: auch ganz viel von meinen Kolleginnen, von meinem Team.

00:15:23: Einfach super fitte Leute, die was drauf haben und genau, das nehme ich so mit.

00:15:29: Du hattest vorhin Supervision schon angesprochen. Ich glaube,

00:15:32: Resilienz ist ja auch wirklich ein wichtiger Faktor bei euch. Ja, ja.

00:15:35: Was sind denn so die Sachen, die dich am meisten, ja ich sag mal,

00:15:39: was nimmst du auch im Negativen mit von der Arbeit, was schockiert dich vielleicht

00:15:42: auch immer noch am meisten? Das sind ganz unterschiedliche Sachen.

00:15:46: Also klar, gerade so in der Recherchearbeit ist man konfrontiert mit Vorfällen

00:15:51: von Gewalt und so weiter. Das ist natürlich, was man tagtäglich mitkriegt.

00:15:55: Aber auch, was Ratsuchende dann teilweise teilen, das sind natürlich dann auch

00:16:00: sehr bedrückende Situationen, in denen sich Ratsuchende von uns teilweise auch befinden.

00:16:05: Das, was ich glaube ich am schwierigsten finde in der Arbeit sind,

00:16:08: dass es so ganz viele verschiedene Aufträge einfach gibt.

00:16:11: Also um uns als MBT herum passieren ja ganz viele Sachen.

00:16:15: Wir haben unsere Ratsuchenden, wir haben Teilnehmende bei Bildungsveranstaltungen,

00:16:19: wir haben die Öffentlichkeit, Leute, die sich das hier jetzt gerade anhören

00:16:22: oder Broschüren von uns lesen.

00:16:24: Es gibt eine Förderstruktur, es gibt zivilgesellschaftliche Akteuren,

00:16:28: es gibt den Träger, es gibt andere Fachberatungsstellen.

00:16:31: Also es gibt ganz viele verschiedene Akteuren, mit denen wir zu tun haben.

00:16:36: Und teilweise werden von diesen Akteuren noch unterschiedliche Aufträge an uns

00:16:39: herangetragen. Und diese Aufträge können einander auch widersprechen und so.

00:16:43: Und dem allen gerecht zu werden, ist nicht immer leicht.

00:16:47: Also im Positiven, ihr seid stark eingebunden, in einer auch tragfähigen,

00:16:52: hoffentlich Organisationsstruktur, auch mit Ehrenamtlichen gut verbunden und

00:16:57: gleichzeitig, klar, dadurch hat man dann viel zu tun auch einfach.

00:17:00: Ja, genau.

00:17:03: Ehrenamtliche und dann natürlich auch die Ratsuchenden selbst.

00:17:05: Ich meine, das sind Personen, die sich auseinandersetzen wollen mit dem,

00:17:09: was ihnen begegnet und dann sich entweder im beruflichen Kontext die Zeit nehmen

00:17:15: oder halt dann wirklich nach Feierabend zur Beratung kommen,

00:17:18: um sich Unterstützung aufzuholen, um Themen anzugehen.

00:17:21: Davor habe ich auf jeden Fall auch einen großen Respekt.

00:17:24: Jay, wir haben uns ja verabredet, dass wir ein bisschen auch über den Rechtsruck

00:17:27: sprechen wollen. Ich denke, dass er da ist.

00:17:30: Also das müssen wir jetzt, glaube ich, nicht mehr stark herleiten.

00:17:33: Wir sind ja schon darauf eingegangen, also mindestens bei euch.

00:17:35: Es läuft auch einfach mehr auf. Ja, genau.

00:17:38: Wie seht ihr das denn gerade so konkret auch in eurer Arbeit?

00:17:42: Ja, an verschiedenen Stellen. Grundsätzlich ist es natürlich schon so,

00:17:45: dass wir auch von Kontinuitäten sprechen.

00:17:48: Also Rechte rassistischer, antisemitischer Gewalt, Aktivitäten unterschiedlicher

00:17:51: rechter AkteurInnen sind natürlich kontinuierlich Bestandteil der Gesellschaft

00:17:56: und in unterschiedlichen Ausprägungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten immer

00:17:59: wieder auch ganz doll sichtbar und spürbar.

00:18:02: Also dann gibt es aber natürlich schon Umstände und Entwicklungen,

00:18:06: die diese ganze Thematik auch drastischer wirken lassen oder auch drastischer machen.

00:18:11: Und das merken wir in der Arbeit, also durch steigende Zahlen in der Beratung.

00:18:14: Was aber auch heißt, dass Leute sich engagieren wollen.

00:18:18: Also es sind auch mehr Leute, die sich engagieren wollen, die was machen wollen,

00:18:20: die sich auseinandersetzen möchten, die auch ein Problembewusstsein entwickelt haben.

00:18:25: Also es muss nicht immer gleich, es gibt jetzt mehr rechte Aktivitäten oder

00:18:30: es gibt mehr rechte Aktuellen, was ja durchaus sein kann oder stellenweise durchaus

00:18:34: auch der Fall ist, aber dazu gehört eben auch eine Zivilgesellschaft,

00:18:37: die darauf auch reagiert.

00:18:38: Und das ist, was wir auch viel in unserer Arbeit einfach merken.

00:18:41: Genau. Wie ist es bei euch konkret? Müsst ihr euch stärker schützen?

00:18:45: Wir haben Sicherheitsstandards und die sind, also die gelten eigentlich immer.

00:18:50: Die werden auch weiterentwickelt. Klar, es kann immer mal wieder zu Vorfällen

00:18:53: kommen, die durch die bisherigen oder bis dahin bestehenden Sicherheitsstandards

00:18:57: nicht abgedeckt sind. Und dann müssen wir gucken, wie wir das weiterentwickeln.

00:19:01: Aber wir müssen uns immer schützen. Also das gehört einfach zu diesem Job im Allgemeinen dazu.

00:19:06: Bei KollegInnen aus anderen Bundesländern ist es noch krasser,

00:19:09: die Bedrohungssituation.

00:19:10: Und das muss man auf jeden Fall dazu sagen, dass es da auch regionale Unterschiede

00:19:14: gibt. Das ist einfach so.

00:19:15: Und gleichzeitig, wenn man diesen Job macht, dann gehört ein gewisses Sicherheitsrisiko dazu.

00:19:21: Und deswegen ist es da wichtig, auf sich zu achten und einfach fachlich auch Standards zu haben.

00:19:26: Wenn man sich so konkret wie du und deine Kolleginnen mit Rechtsextremismus

00:19:30: befasst, habt ihr den Eindruck, es gibt sowas auch wie Moden oder wiederkehrende Trends?

00:19:36: Ja, beides, also sowohl als auch. Es gibt, ich meine, gerade in diesem jungen

00:19:40: Nazi-Milieu, das jetzt insbesondere mit den queerfeindlichen Protesten und Aktionen

00:19:45: im Jahr 2024 sehr sichtbar geworden ist und auf den Plan getreten ist,

00:19:49: deuten sich ja auch so eine Wiederholung an von einfach jugendlichen Nazi-Banden,

00:19:54: die auf den Straßen unterwegs sind, auch so sehr sichtbar.

00:19:58: Teilweise gibt es ja auch dann so Referenzen auf so Nazis gehen halt Kultur im Look und so.

00:20:03: Also das sind dann schon auch so Sachen, Trends, die zurückgreifen auf vorhergehende

00:20:07: Zeiten, was sich so ein bisschen wiederholt.

00:20:09: Dann gibt es noch etliche Sachen, die einfach neu auch dazukommen.

00:20:12: Andere verschwinden dann so ein bisschen vielleicht eher oder werden weniger sichtbar.

00:20:16: Genau, das ist alles ein sehr dynamisches Feld einfach.

00:20:19: Was so aus eurer Sicht aktuell die größte Gefahr oder wäre es vielleicht am meisten gefährdet?

00:20:24: Das lässt sich nicht gut sagen. Also was sich schon sagen lässt,

00:20:29: ist, dass natürlich Vorfälle rechter Gewalt auch ansteigen.

00:20:32: Es gibt ja verschiedene Statistiken, die das belegen.

00:20:35: Also dass rechte Gewalt einfach ein zunehmend großes Thema einfach wird und

00:20:39: rechte Gewalt wird von unterschiedlichsten Leuten ausgeübt.

00:20:43: Also das sind eher bürgerliche Leute, das sind ältere Leute,

00:20:47: jüngere Leute, Leute mit Verbindung zu Subkulturen, Leute, die sich vielleicht

00:20:51: selbst nicht mal sozusagen in so einer rechten Politisierung verorten würden.

00:20:56: Also das ist ganz unterschiedlich.

00:20:59: Und das, was wir abbilden können, ist auch ja total unvollständig und selektiv.

00:21:05: Das steht auch immer als Disclaimer in Monitoringberichten von uns drin,

00:21:09: dass wir natürlich nicht alles wissen, nicht alles mitkriegen und auch eine

00:21:12: irgendwo auch beengte Sicht haben auf Vorfälle und so weiter und so fort.

00:21:18: Aber es ist uns natürlich trotzdem wichtig, das in irgendeiner Form darzustellen.

00:21:22: Das machen natürlich auch andere Beratungsstellen, die Hinweisstelle und so genau.

00:21:27: Lass uns noch ein bisschen konkreter werden. Mit was für Inhalten habt ihr es zu tun?

00:21:31: Das ist sehr unterschiedlich. Also wir haben es zu tun mit Personen oder Organisationen,

00:21:40: die von Rechten im Internet diffamiert werden, die von unterschiedlichen rechten

00:21:43: AkteurInnen, teilweise namentlich.

00:21:45: Dann gibt es dann hetzerische Postings unter entsprechenden Posts,

00:21:50: die abgesetzt wurden auf verschiedenen Social Media Kanälen.

00:21:52: Also das ist ein Thema. Es gibt Gruppen von rechtsextremen Personen,

00:21:57: Personen aus der extremen Rechten, die in bestimmten Stadtteilen versuchen,

00:22:01: das Stadtbild zu prägen,

00:22:03: Raumnahmesituation in Form von neonazistischen Graffiti oder Tags oder Stickern

00:22:08: oder so, also klassische Raumnahmeversuche. So was ist viel.

00:22:12: Sprüche im Arbeitskontext oder so. Personen, die sich melden bei KollegInnen, ja,

00:22:17: rassistische oder antisemitische Sprüche machen oder Inhalte verbreiten in Chats

00:22:21: oder auch teilweise ganz, ich sag mal, oldschool so Magazine einfach haben,

00:22:25: Printmagazine, die sie auf der Arbeit verteilen und so.

00:22:28: Und alles, was dazwischen ist und was jetzt noch nicht genannt ist,

00:22:30: also da gibt es einfach ganz viele verschiedene Dinge.

00:22:33: Ja, Beratungs-Settings oder Themen, die in der Beratung auftauchen.

00:22:37: Wenn ihr so ein bisschen drauf schaut auf die verschiedenen Themen,

00:22:40: du hast es ja schon gesagt, also es gibt natürlich auch Menschen mit einem geschlossenen,

00:22:44: rechtsextremen Weltbild und die treten auch öffentlich sehr sichtbar auf.

00:22:47: Aber du hast ja auch schon gesagt, es gibt eben auch so diese Teilbereiche,

00:22:51: die so dazugehören, also Antisemitismus, Rassismus, Antifeminismus, Antiqueer.

00:22:56: Habt ihr den Eindruck, davon ist gerade eins besonders präsent oder sind die

00:23:00: dann doch miteinander so verschränkt, dass man das gar nicht voneinander getrennt

00:23:04: beobachten kann? Letzteres würde ich sagen.

00:23:07: Also natürlich gibt es immer wieder Ausschläge bei bestimmten Ideologien der

00:23:12: Gewalt, auch ausgelöst durch verschiedene gesellschaftliche Ereignisse.

00:23:16: Und gleichzeitig gucken wir als Beratungsstelle mit einer beengten Perspektive

00:23:20: auch darauf. Also wir können jetzt gar nicht seriöserweise sagen,

00:23:23: okay, diese Gewaltform oder diese Ideologie-Element hat im Vergleich zu der

00:23:27: jetzt ganz besonders doll zugenommen.

00:23:29: Aber es gibt ja auch Hinweisstellenstrukturen in Hamburg im letzten Jahr auch

00:23:33: oder bis letztes Jahr auch noch angebunden an die betroffenen Beratungsstelle.

00:23:37: Mittlerweile ist sie bei der Lawaetz Stiftung. Aber diese Hinweisstellen veröffentlichen

00:23:41: regelmäßig auch nochmal Berichte oder so, die da vielleicht nochmal ein bisschen

00:23:45: aufschlussreicher sind als das, was ich jetzt als MBT sozusagen dazu sagen kann.

00:23:49: Und gibt es Themenfelder, wo ihr den Eindruck habt, dass die Rechten oder auch

00:23:53: gesellschaftliche Zusammenhänge, wo Rechtsextreme sich verstärkt sozusagen reinbegeben,

00:23:59: Diskussionen, wo sie sich verstärkt reinbegeben, wo ihr das auch so,

00:24:03: ich glaube deutschlandweit kann man das ganz gut sehen, aber auch vielleicht

00:24:05: so in Bezug auf die Stadtgesellschaft, wo ihr das beobachten könnt?

00:24:08: Ja, genau, ganz unterschiedlich.

00:24:11: Also in Zeiten der Pandemie waren natürlich viele Personen aus dem rechten und

00:24:17: extrem rechten Spektrum auch unterwegs im verschwörungsideologischen Milieu

00:24:21: oder haben an Demonstrationen oder Veranstaltungen teilgenommen,

00:24:25: die vordergründig sich mit Infektionsschutzmaßnahmen beschäftigt haben oder

00:24:29: dagegen irgendwie waren.

00:24:31: Und genau, das waren dann so Themen, wo die sich irgendwie auch viel mit drangehängt haben.

00:24:35: Anfang 2024 haben sie an den Bauernprotesten auch teilgenommen,

00:24:39: vereinzelt, also verschiedene AkteurInnen aus dem rechten Spektrum und jetzt

00:24:45: ist es aber mittlerweile so in Hamburg, dass es auch so offen rechte Veranstaltungen

00:24:50: auch wieder gibt oder so,

00:24:52: die jetzt nicht vordergründig ein, in Anführungszeichen, anderes Thema haben,

00:24:55: sondern wo dann ganz explizit auch so rechte Diskurse, rechte Themen vorangetrieben werden.

00:25:00: Da gab es auch zwei Veranstaltungen in Hamburg.

00:25:04: Also genau, es war so eine bundesweite Aktion. Da gab es in jedem Bundesland

00:25:06: eine Demo oder eine Kundgebung.

00:25:08: Und das gab es auch in Hamburg. Und da waren dann auch wieder verschiedene Rechte.

00:25:12: Es ist natürlich klar, dass so viel versucht wird, Diskurse um Migration rassistisch

00:25:17: mit zu prägen, rassistische Hetze gegen geflüchtete Menschen, Übergriffe auch auf Unterkünfte.

00:25:22: Auch das gibt es in Hamburg. Genau, und...

00:25:25: Wie sich das jetzt aber zu anderen Themen verhält, das ist nicht so leicht zu

00:25:28: sagen, weil es einfach verschiedene Themen gibt, die immer mal wieder unterschiedlich

00:25:31: stark von rechts bewegt werden.

00:25:34: Jetzt hast du ja schon sehr konkrete Gruppen sozusagen genannt,

00:25:38: die dann regelrecht, ja, ich sag mal, vielleicht sogar unterwandert,

00:25:42: vielleicht vereinnahmt wurden, vielleicht waren dann doch auch große Schnittmengen da.

00:25:46: Ja, ja. Gibt es auch noch so andere gesellschaftliche Teilbereiche,

00:25:49: wo ihr das seht, dass da mehr stattfindet?

00:25:51: Du hast ja gesagt, ihr beratet auch Institutionen.

00:25:53: Also hat man den Eindruck, sie gehen gezielter oder stärker auch in Vereine,

00:25:58: in Institutionen? Wie sieht es da aus?

00:26:01: Ja, gerade Anfang diesen Jahres gab es ja zwei Wahlen, die Bundestagswahl und

00:26:05: hier in Hamburg die Bürgerschaftswahlen.

00:26:07: Da war natürlich Neutralität und vermeintliche Neutralität ein großes Thema.

00:26:10: Also viele Institutionen, die öffentlich gefördert sind, haben Druck von rechts

00:26:14: bekommen, von der AfD vor allen Dingen auch mit dem Vorwurf,

00:26:18: sie seien nicht neutral.

00:26:19: Also das ist auf jeden Fall eine rechte Strategie, die insbesondere so in Wahlkampfzeiten

00:26:23: oft bemüht wird, dass Engagement gegen Ideologien der Ungleichwertigkeit als

00:26:28: nicht neutral stigmatisiert oder diffamiert wird.

00:26:31: Und dadurch entsteht natürlich eine Drohkulisse für viele Institutionen,

00:26:35: die sie dann in Teilen auch in ihrer Arbeit einschränkt oder in ihrer Arbeit einfach hindert.

00:26:41: Du hast jetzt gesagt, ihr seid in der Beratungsarbeit. Ich habe das so verstanden,

00:26:45: ihr seid so ein bisschen auch sowas wie ein verknüpfendes Element oder wie stelle

00:26:49: ich mir das vor? Also ihr kommt jetzt beispielsweise, sagen wir mal, in eine Schule.

00:26:52: Da gab es einen Vorfall. Was ist da eure Rolle?

00:26:55: Genau, also wenn es jetzt Vorfälle an Schulen gibt oder aus dem Schulkontext

00:27:00: sich Personen bei uns melden als Ratsuchende, dann sind wir die Beratungsstelle,

00:27:05: die dann vor allen Dingen Lehrkräfte, Schulleitung, Schulsozialpädagoginnen halt berät zum Umgang damit.

00:27:09: Auch mit so einem Blick darauf, okay, gibt es irgendwelche Strukturen,

00:27:13: die an der Schule etabliert werden können, präventiv, um mit solchen Vorfällen umzugehen.

00:27:18: Wie ist die Schule eigentlich positioniert? Wie kommt die Haltung der Schule

00:27:21: zu Rassismus, Antisemitismus, Antifeminismus oder so eigentlich zum Ausdruck?

00:27:25: Wie sehr wird das in dem Schulalltag eigentlich auch gelebt?

00:27:28: Und durch wen können Strukturen in Form von AGs, von engagierten Lehrkräften geschaffen werden?

00:27:35: Wie kann die Schulleitung gut eingebunden sein in sowas? Also das sind Fragestellungen,

00:27:39: zu denen wir als mobile Beratung gegen Rechtsextremismus dann beraten würden,

00:27:43: also orientiert an den MultiplikatorInnen.

00:27:47: Und dann stelle ich mir aber vor, da sind ja im Zweifel, also es ist sicher

00:27:50: nicht immer ganz so einfach, aber wir nehmen jetzt mal ein einfaches Fallbeispiel.

00:27:54: Da gab es vielleicht jemanden, der jemand anderen rassistisch beleidigt hat

00:27:59: aus der Schülerschaft und dann gibt es natürlich auch eine betroffene Person.

00:28:03: Geht ihr mit denen auch ins Gespräch oder wie läuft das dann ab?

00:28:06: Und da gibt es dann Empower, das ist die Betroffenenberatungsstelle,

00:28:10: also Beratung für Betroffene rechter rassistischer und antisemitischer Gewalt.

00:28:14: Die sind im selben Träger wie wir.

00:28:16: Da gibt es auch eine kollegiale Zusammenarbeit im Sinne von auch Verweisberatung

00:28:20: oder so, weil manchmal kommen auch Leute mit Themen, die dann eher in der betroffenen

00:28:25: Beratungsstelle aufgehoben sind zu uns und dann verweisen wir vertrauensvoll

00:28:29: unter Einverständnis der Ratsuchenden und umgekehrt auch.

00:28:31: Auch an dem Beispiel, was du jetzt gerade genannt hast, würde natürlich Empower

00:28:35: sich an den Betroffenen ganz stark orientieren.

00:28:37: Also die Person, die selbst betroffen ist, die Angehörigen aber auch.

00:28:41: Aber es gibt auch Fragestellungen, die für Betroffene ganz, ganz wichtig sind,

00:28:44: die von MultiplikatorInnen bewegt werden, wenn es dann zum Beispiel um Schutzkonzepte geht oder so.

00:28:49: Und auch da wäre die Betroffenenberatungsstelle ansprechbar.

00:28:52: Um diesen Dreiklang vielleicht dann auch so vollständig zu machen,

00:28:55: es gibt dann auch die Ausstiegs- und Distanzierungsberatung in Hamburg,

00:28:59: die heißt Kurswechsel, die ist nochmal in einem anderen Träger als wir.

00:29:02: Beim CJD ist die angebunden und die sind, wie der Name sagt,

00:29:06: dann zuständig für Personen, die aussteigen oder sich distanzieren wollen,

00:29:10: die sich irritieren lassen wollen und die arbeiten dann tatsächlich auch direkt

00:29:13: mit TäterInnen. Das tun wir nicht.

00:29:16: Das ist fachlich wichtig, diese Abgrenzung, dass Personen, die sich bei uns

00:29:20: jetzt beispielsweise beraten lassen, sich sicher sein können,

00:29:23: dass sie keinen TäterInnen auf dem Flur begegnen, jetzt mal so sinnbildlich gesprochen.

00:29:27: Und genau, also alle drei Beratungsangebote sind total auch wichtig. Es braucht die alle.

00:29:33: Und so ist es auch in den anderen Bundesländern, dass die Arbeit im Feld Rechtsextremismus,

00:29:38: sage ich jetzt mal, häufig an diesem Dreiklang orientiert ist.

00:29:42: Also mobile Beratung, Betroffenenberatung und Ausstiegs- bzw.

00:29:46: Distanzierungsberatung.

00:29:47: Ich würde gerne noch mit einem positiveren Thema aussteigen.

00:29:51: Das ist natürlich schwierig beim Oberthema Rechtsruck.

00:29:53: Aber du hast ja auch immer wieder betont, es gibt ja auch so unglaublich viele

00:29:56: engagierte Menschen, also seien sie haupt- oder ehrenamtlich unterwegs,

00:30:00: die sich gegen den Rechtsruck stark machen.

00:30:03: Was so aus deiner, aus eurer Sicht, was sind gerade so die besten Strategien,

00:30:07: die man auffahren kann, um dagegen zu halten?

00:30:10: Ja, da kann ich verweisen auf unsere Handlungskarte. Die kann man sich auf unserer

00:30:15: Homepage anschauen oder die bringen wir auch gerne mal mit zu Veranstaltungen und so.

00:30:19: Genau, es natürlich brauchen unterschiedliche Menschen und unterschiedliche

00:30:22: Kontexte mit ihren unterschiedlichen Anliegen auch unterschiedliche Strategien.

00:30:26: Ganz wichtig ist natürlich immer, zu benennen, mit was man es da gerade zu tun hat.

00:30:30: Also Antisemitismus, Rassismus, Queerfeindlichkeit und Ableismus,

00:30:35: weitere rechte Ideologien als solche auch zu benennen.

00:30:38: Das ist ganz wichtig und das tun viele Leute auch. Das braucht es auch für die Auseinandersetzung.

00:30:43: Verbündete suchen. Oft ist man nicht die einzige Person, die sich stört an rechten

00:30:48: Haltungen und Handlungen oder an Ideologien der Ungleichwertigkeit oder die

00:30:53: aufmerksam wird auf Vorfälle.

00:30:55: Das heißt, sich im Arbeitskontext, im privaten Kontext auch Verbündete zu suchen,

00:31:00: die ähnlich denken, die ein Problem auch erkannt haben und so,

00:31:03: das kann auch schon ganz, ganz viel machen.

00:31:06: Betroffenen Perspektiven im Blick behalten. Wir sind alle unterschiedlich betroffen

00:31:09: von rechten Ideologien und ein Wissen darum ist ganz wichtig,

00:31:13: um solidarisch agieren zu können an dem Punkt.

00:31:16: Und ansonsten Reflexion, also immer zu gucken, okay,

00:31:20: wenn sich jetzt ein Vorfall ereignet hat, was hat gut geklappt,

00:31:24: was ist uns hier gut gelungen und was brauchst du aber vielleicht auch nochmal

00:31:26: fürs nächste Mal, also die Sachen nicht gleich abhaken, sondern sich darauf,

00:31:30: einzustellen, dass sowas auch wieder passieren kann und wieder passieren wird und sozusagen,

00:31:36: in so einer Reflexionsarbeit auch dann zu gucken, okay, wie stellen wir uns auf für das nächste Mal.

00:31:42: Hast du vielleicht auch eine Lieblings, ich sag mal kreative Widerstandsformen?

00:31:47: Nein. Da gibt es einfach ganz unterschiedliche Sachen, die auch gut für unterschiedliche

00:31:53: Menschen funktionieren.

00:31:55: Jetzt doch noch eine Abschlussfrage, die nicht ganz so positiv vielleicht ist.

00:31:58: Aber es gibt ja immer wieder bei der Diskussion darüber, es gibt ja auch im

00:32:03: gesamtgesellschaftlichen Kontext immer wieder den Vorwurf, sobald man Dinge

00:32:07: benennt, dass man mit der sogenannten Nazi-Keule unterwegs sei.

00:32:12: Wie macht ihr das in eurer Beratungsarbeit? Was ratet ihr für eine angemessene

00:32:17: Differenzierung, die aber auch Dinge so klar benennt, wie sie auch sind?

00:32:22: Ja, also zunächst mal informieren wir die

00:32:25: Menschen darüber, dass das eine Delegitimierungsstrategie von rechts ist.

00:32:29: Also sozusagen Kritik an rechter Ideologie zu sagen, hier ist die Nazi-Keule

00:32:35: und für euch sind alle Nazis, das ist natürlich überhaupt nicht der Punkt.

00:32:38: Und das ist wiederum eigentlich eine Keule sozusagen, um sehr wichtige Kritik

00:32:44: oder sehr wichtige Benennungen irgendwie kaputt zu schlagen und so.

00:32:48: Und ich glaube, das zu erkennen, sich dessen bewusst zu sein,

00:32:51: dass das eine weit verbreitete und teilweise auch unwissentlich sozusagen wiederholte

00:32:55: rechte Strategie ist, das ist ganz wichtig, um auch darin sicher zu sein,

00:33:00: ja, zu benennen, was eigentlich auch Sache ist.

00:33:04: Vielen Dank. Das ist, glaube ich, ein Tipp, den können wir alle gut mitnehmen.

00:33:08: Ich möchte noch was von dir mitnehmen und das ist immer die Flaschenpost an

00:33:11: die Zukunft hier bei uns, bei Friedrichs Flaschenpost.

00:33:14: Und ich habe eine ganz, ganz einfache Frage für dich mitgebracht und du kannst

00:33:18: uns deinen Wunsch oder deine Einschätzung der Zukunft liefern.

00:33:22: Jay, schaffen wir es, uns in Deutschland in den kommenden fünf Jahren dem Rechtsruck

00:33:27: effektiv entgegenzustellen?

00:33:29: Ich würde sagen, das passiert schon. Es gibt sehr viele Menschen,

00:33:32: die sich sehr leidenschaftlich dem Rechtsruck entgegenstellen.

00:33:36: Und das auch nicht erst seit wir von Rechtsruck sprechen, sondern auch teilweise schon länger.

00:33:40: Ganz die unterschiedlichsten Menschen, die aus den unterschiedlichsten Verhältnissen

00:33:43: kommen, machen das. Das ist sehr, sehr wichtig.

00:33:45: Ich glaube, ohne das würden wir ganz woanders dastehen sozusagen.

00:33:49: Und ich grüße alle Leute, die da sozusagen engagiert sind. Und die haben auf

00:33:53: jeden Fall meinen großen Respekt. Und ich hoffe, dass das einfach weitergeht.

00:33:56: Vielen Dank. Du hast meinen großen Respekt, dass du diese wichtige Arbeit mit

00:34:00: deinen Kolleginnen zusammen machst und trotzdem so optimistisch in die Zukunft schaust.

00:34:04: Das finde ich wirklich sehr, sehr schön.

00:34:06: Und damit sind wir leider aber auch schon am Ende der 90. Folge von Friedrichs

00:34:10: Flaschenpost, dem Politik-Podcast hier aus Norddeutschland von der Friedrich-Ebert-Stiftung.

00:34:15: Ich danke erstmal unseren Hörerinnen in diesem Fall und unseren Hörern.

00:34:18: Und dann natürlich ganz, ganz herzliches Dankeschön auch an dich, lieber Jay.

00:34:22: Vielen lieben Dank, dass ich hier sein durfte. Wir sprachen nämlich heute mit

00:34:25: Jay vom mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Hamburg.

00:34:29: Tschüss und bis zur nächsten Folge, sagt Christine Strotmann von der Friedrich-Ebert-Stiftung.

00:34:34: Macht es gut und wie immer, bleibt politisch. Dankeschön.

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